Gen Z auf dem Jobmarkt: Der Diskurs um Arbeitsmoral nervt

Die Arbeitswelt ist im Wandel. Besonders sichtbar wird das an den Forderungen derjenigen, die gerade erst in sie eintreten. Wir sollten ihnen zuhören.

Jugendliche treffen sich auf dem Tempelhofer Feld

Berliner Jugendliche auf dem Tempelhofer Feld Foto: Fernando Gutierrez-Juarez/dpa

Hiermit lade ich Sie ein zum Bullshit-Bingo, Edition „Junge Menschen auf dem Arbeitsmarkt“. Was davon haben Sie auch schon mal gedacht? Die Jungen sind faul, wollen nur Freizeit, haben keinen Bock aufs Büro / Sie sind unfähig, richtig zu schuften / 4-Tage-Woche, was soll der Quatsch? / Mit der Guaven­dicksaft-Truppe hatte Markus Lanz schon recht / Nur fordern, aber nichts liefern.

Und? War was dabei? In der Debatte über die Arbeitsmoral in der Gesellschaft wird konstant auf junge Menschen draufgehauen. Aktuell im Fokus: Die Generation Z. Gemeint sind die zwischen 1995 und 2010 Geborenen. Ihre jüngsten Ver­tre­te­r*in­nen gehen mit 14 noch zur Schule, die Ältesten sind mit 29 im Berufsleben angekommen.

Absurderweise rückt langsam aber sicher auch schon die nächste Generation ins Visier, deren Mitglieder teils noch Windeln tragen: die Generation Alpha. In den ersten Think Pieces fragt man sich, wer sie sind, wie sie einkaufen werden, und, am wichtigsten – welche Einstellung zu Arbeit wohl von ihnen zu erwarten ist. Jetzt schon wird gewarnt vor den „iPad-Kids“, die nicht lesen könnten und zu keinem originären Gedanken mehr fähig seien.

Man merke also: Eine Generation ist schlimmer als die nächste, schon den Millennials wurde schließlich ein fehlendes Arbeitsethos vorgeworfen. Dieser Generationsdiskurs nervt! Und lenkt davon ab, worüber wir eigentlich sprechen sollten.

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Die Arbeitswelt ist im Wandel – und besonders sichtbar wird das eben an den Forderungen und Einstellungen derjenigen, die gerade erst in sie eintreten. Der Arbeitsmarkt braucht sie, muss sich an ihnen ausrichten. Im Gegensatz zu den Jugendlichen der 2000er Jahre ist die Gen Z in einer viel besseren Verhandlungsposition, um ihren Wunsch nach einer guten Mischung von Arbeit, Freizeit und Sinn durchsetzen zu können. Das kann man unfair finden. Oder sich als älterer Arbeitnehmer an ihnen ein Beispiel nehmen.

Dazu kommt, dass an dem Vorurteil, junge Leute hätten keinen Bock auf Arbeit, überhaupt nichts dran ist. Die Generationenunterschiede sind gering. Das haben zuletzt die Jugend-Trendstudie und das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung festgestellt. Im Schnitt arbeiten alle Ar­beit­neh­me­r*in­nen heute etwas weniger, sind dabei aber produktiver.

Im Diskurs werden den verschiedenen Generationen viel zu schnell vermeintliche Merkmale und Charakterzüge zugeschrieben. Bei den Jungen ist das beispielsweise das Aufwachsen in einer hyperdigitalen Welt. Doch tatsächlich ist es ja so, dass die Gleichzeitigkeit und Unmittelbarkeit der Dinge im Jobkontext alle Altersgruppen zu spüren bekommen. Und so auch die daraus resultierenden psychischen Belastungen.

Ins Zentrum diverser Arbeitskämpfe gerückt hat es die jüngere Generation. Sie stehen am lautesten dafür ein, dass es nicht mehr nur darum geht, Ar­beit­neh­me­r*in­nen vor kaputten Knien und Rücken zu schützen, sondern auch vor mentalen Erkrankungen. Doch sowohl Ar­beit­ge­be­r*in­nen als auch ältere Kol­le­g*in­nen empfinden dieses Agendasetting oft als unnötigen Radau.

Junge Menschen verdienen einen besonderen Fokus – aber nicht als Sündenböcke für ein System, das sie bloß am vehementesten kritisieren. Es ist Aufgabe der Politik, jetzt bessere Voraussetzungen für das Aufwachsen junger Menschen zu schaffen. Insbesondere seit Corona ist sie ihrer Verantwortung nicht nachgekommen, junge Menschen zu stärken. Ju­gend­for­sche­r*in­nen fürchten eine steigende Zahl von Schul­ab­bre­che­r*in­nen wegen des pandemiebedingten Einschnitts. Und erst kürzlich zeigte die Studie „Jugend in Deutschland“, dass die Themen Inflation, Altersarmut und teures Wohnen junge Leute ganz besonders umtreiben. Da darf man sich nicht wundern, dass die Jugend sich mit Forderungen nach mehr Geld und Ausbildungswohnraum auch an ihre Ar­beit­ge­be­r*in­nen wendet.

Denkt man an die Kinder der Gegenwart, muss die Politik nachsteuern, Jugendangebote schaffen, auf sie zugehen und zuhören. Auf dem Programm stehen: Armut bekämpfen, Rentenreform anpacken, Pandemie aufarbeiten! Adefunmi Olanigan

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Seit April 2023 taz Panter Volontärin. Vorher Biochemie studiert. Schreibt gerne über Wissenschaft, Gesundheit und soziale Ungleichheit. Aktuell im Berlin Ressort.

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