Serie „The Playlist“ auf Netflix: Wut und Erfolg im Männerkeller

Die Netflix-Serie „The Playlist“ handelt von den Spotify-Erfindern. Geht sie ausreichend auf Distanz zur toxischen Start-up-Männlichkeit?

Ein Mann mit Kopfhörern sitzt in einem Studio und reißt lachend die Arme hoch

Tech-Business: Am Ende gewinnt, wer dominanter auftritt Foto: Netflix

Männer, Kohle, Macht: Erfolgsstorys von Start-ups sind beliebter Erzählstoff. Die schwedische Netflix-Serie „The Playlist“ erzählt fiktionalisiert die Geschichte vom Aufstieg des Musikstreaming-Unternehmens Spotify. „Fiktionalisiert“ – das bedeutet: halb Wahrheit, halb ausgedacht. Dieses Prinzip kennt man, etwa von „The Crown“. Historische Daten stimmen, Dialoge und Gefühlszustände sind dagegen frei erfunden.

Die sechs Folgen lange Miniserie „The Playlist“ beginnt im Jahr 2004 mit dem IT-Spezialisten Daniel Ek (Eddie Hanzon). Daniel lebt ziemlich angepasst und konnte zu seinem Leidwesen seine Mutter bisher nicht stolz machen. Zunächst gründet Daniel das Werbe-Start-up Advertigo. Das Unternehmen verkauft er für eine hohe Summe – in der Serie sind es 10 Millionen US-Dollar – und investiert das Geld in einen Ferrari sowie brandneue Küchenausstattung für seine Mutter. Beim fiktionalen Verkaufsgespräch lernt er Martin Lorentzon (Christian Hillborg) kennen, den zukünftigen Mitbegründer von Spotify.

Die beiden schmieden Pläne für ihr Strea­ming-Start-up. Daniel rekrutiert mithilfe des frisch dazugewonnenen Andreas Ehn (Joel Lutzow) neue Mitarbeitende, „die Weirdos, die ADHSler, die Nerds“, wie er die Programmierer seiner Träume nennt. Im kellerartigen Raum eines Bürokomplexes erwächst eine „New Work“-Hölle. Kol­le­g:in­nen werden zur Familie, der Arbeitsplatz wird zum Eigenheim. Tischkicker und Roller fehlen ebenso wenig wie der cholerische Boss – das „Genie“ – und abendliche Anrufe aufs Privathandy.

Kein Platz für Frauen

Kritisch hinterfragt wird dieses System nicht, im Gegenteil: Der Frust, den die Spotify-Mitarbeitenden empfinden, wird stets als etwas Gutes dargestellt – denn aus Wut erwächst schließlich die zündende Idee für den Erfolg. Mit Wut und Erfolg bedienen die Figuren genau jenes spärliche Gefühlsspektrum, das dem hegemonialen Mann in unserer Gesellschaft vergönnt ist.

Dabei gäbe es an dieser Stelle für Spotify durchaus etwas aufzuarbeiten: 2018 verklagte die ehemalige Vertriebsmitarbeiterin Hong Perez das Unternehmen wegen systematischer Diskriminierung weiblicher Angestellter. Regisseur Per-Olav Sørensen, ansonsten bekannt für die Serien „Quicksand“ und „Weihnachten zu Hause“, war das in der Geschichte von Spotify offenbar nicht relevant genug. Stattdessen arbeitet er sich an Streitereien zwischen Männern ab. Am Ende gewinnt, wer dominanter auftritt.

Beziehungen bleiben flach, emotionale Gespräche gleichen eher einer Aneinanderreihung von Kalendersprüchen. Tiefgang wird auch dadurch nicht erreicht, dass in jeder Folge die Perspektive wechselt. Wir erleben die Spotify-Gründung mal aus Martins, mal aus Andreas’ Sicht. Frauen spielen in der Serie vor allem Assistentinnen, mit Ausnahme der Spotify-Juristin Petra Hansson (Gizem Erdoğan) sowie der fiktionalen Sängerin Bobbi T (Janice Kavander). Die auffällig niedrige Frauenquote im Startup wird ignoriert, ebenso wie all die Probleme, die damit einhergehen können, wie die erwähnte sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz.

Zum Ende hin spüren Zu­schaue­r:in­nen immerhin doch noch einen Hauch von Selbstkritik. Daniel wird immer geldgeiler und lässt seine Freun­d:in­nen im Stich. Bobbi T thematisiert die Ausbeutung von Künstler:innen. Lösungen gibt es nicht. Für wen auch, fragt man sich, denn nach fünf Stunden kapitalistischer Hymnen sind bei der letzten Folge vermutlich nur noch kompromisslose Maskulinisten und enttäuschte Me­di­en­jour­na­lis­t:in­nen dabeigeblieben. Mit dem schmutzigen Gefühl, dem feuchten Traum eines Elon-Musk-Fans beigewohnt zu haben.

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