Urteil des britischen Gerichts: Banger Aufschub für Julian Assange

Der Wikileaks-Gründer wird vorerst nicht ausgeliefert. Ein britisches Gericht verschiebt die Entscheidung – die USA müssten erst Garantien liefern.

Mehrere Menschen halten Protestplakate in den Luft vor einem britischen Gericht

Protest in London: Assange-Anhänger hoffen auf seine Freilassung Foto: Alberto Pezzali/ap

LONDON taz | Seit fünf Jahren sitzt Julian Assange im britischen Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh ein und wartet auf eine Entscheidung, ob er an die USA ausgeliefert werden soll. Am Dienstag entschied das oberste Gericht in London nun, dass seine Auslieferung weiteren Aufschub bekommt.

Dem Gericht zufolge könne Assange zuversichtlich sein, dass drei seiner Einsprüche bei einem weiteren Berufungsverfahren erfolgreich sein könnten. Allerdings hängt dies davon ab, ob die USA innerhalb der nächsten drei Wochen ausreichende Garantien darlegen können, sodass sich Assange bei einem Gerichtsverfahren in den USA auf den ersten Verfassungszusatz der US-Konstitution berufen kann – und damit auf den Schutz der freien Meinungsäußerung.

Die USA müssten zudem beweisen, dass ein dortiges Verfahren ihm nicht seine australische Staatsbürgerschaft zulasten lege und der erste Verfassungszusatz bei ihm wie bei US-Bürger:innen zum Tragen käme. Und: Es müsse ausgeschlossen werden, dass Assange mit der Todesstrafe rechnen muss. Sollten die USA diese Sicherheiten geben können, könnte der Ausweisung zugestimmt werden. Allerdings müssen sich As­sanges Verteidiger vorab dazu äußern können. Falls die USA die Auflagen des Gerichtes nicht erfüllen, kommt es zu einem neuen Berufungsverfahren.

Assange ist Gründer der Plattform Wikileaks und kämpft seit mehr als 13 Jahren um seine Freiheit. Wikileaks hatte unter seiner Leitung im Jahr 2010 700.000 geheime Dokumente zu US-Aktivitäten im Irak und in Afghanistan veröffentlicht, darunter ein Video, das den Beschuss von Zi­vi­lis­t:in­nen in Bagdad zeigt und damit ein eindeutiges Kriegsverbrechen darstellt. Die USA fordern seine Auslieferung aus Großbritannien, um ihm vor einem US-amerikanischen Gericht den Prozess zu machen. Im schlimmsten Fall muss Assange mit einer Freiheitsstrafe von bis zu 175 Jahren rechnen.

Erwartet Assange in den USA ein fairer Prozess?

Im Urteil heißt es: Assanges Fall ist vor allem eine Frage der Meinungsfreiheit. Er habe damit ein Recht darauf, Berufung einzulegen. Auch wenn die USA behaupten, dass Assange nicht mit der notwendigen journalistischen Sorgfalt gearbeitet hatte, als er die Namen von Sicherheits- und Geheimdienstleuten veröffentlichte. Was zähle, sei sein Recht, sich überhaupt auf den ersten Verfassungszusatz der US-Konstitution berufen zu können. Das Fehlen dieses Rechts sei mit der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht vereinbar.

Das Gericht urteilte jedoch auch, dass Assanges Vergehen nicht politischer Natur seien und dass seine Ausweisung deswegen von den USA angefordert werde. Zudem ließ das Gericht keinen der Punkte zu, die sich darauf beziehen, dass Assange in den USA kein fairer Prozess erwarte. Auch Berichte, dass der CIA, der Auslandsgeheimdienst der USA, Assange laut Yahoo News in der ecuadorianischen Botschaft in London angeblich ermorden wollte, hätten keinen Einfluss auf die Ausweisung oder das Strafverfahren in den USA.

Assanges Verteidigung hatte wiederholt argumentiert, dass diese Berichte die Aussagen der US-Regierung unglaubwürdig erscheinen ließen. Bei einer Pressekonferenz in der Anwaltskanzlei von As­sanges Verteidigungsteam am frühen Dienstagnachmittag bezeichnete die Ehefrau von Julian Assange, Stella Assange, das Urteil als bizarr: „Das britische Gericht gibt den USA eine weitere Möglichkeit, einen politischen und nicht einen rechtlichen Einwand zu machen.“

Überhaupt hätte der Fall von vornherein abgesetzt gehört. Journalismus werde kriminalisiert, so Stella Assange. „Es ist nun eindeutig, dass der Fall sich auf die Verfolgung eines Journalisten aufgrund seiner Meinung bezieht“, behauptete sie. Aus ihrer Sicht heraus sei nur so der Bezug zum ersten Verfassungszusatz zu verstehen.

Sowohl Stella Assange als auch Wikileaks-Direktor Kristinn Hrafnsson betonten bei der Pressekonferenz am Dienstag in London, dass der Fall erst unter Ex-US-Präsident Donald Trump aufgekommen sei. Sein Vorgänger Barack Obama hätte nicht gegen den Wiki­leaks-Gründer vorgehen wollen, da Assange journalistisch arbeitete und kein Hacker gewesen sei. Die US-Regierung sollte – anstatt weitere Garantien zu geben – den Auslieferungsantrag fallen lassen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.