Fluchtweg nach Ägypten: Druck statt falscher Solidarität

Israel stößt im Gazastreifen nach Rafah vor, dem Hauptzufluchtsort der Menschen. Ägypten könnte helfen und die Grenze für Frauen und Kinder öffnen.

Palästinenser auf der Flucht in der Grenzstadt Rafah

Palästinensische Flüchtende in der Grenzstadt Rafah, Februar 2024 Foto: Mohammed Salem/reuters

Der gesamte Nahe Osten, so war es kürzlich in der taz zu lesen, befinde sich wegen des Gazakriegs in Aufruhr. Selbst die Raketen der Huthis und die der Hisbollah fänden in der arabischen Öffentlichkeit Zustimmung, weil sie darauf abzielten, Druck aufzubauen, um den Krieg zu beenden. Nun wird sicher nicht die gesamte arabische Öffentlichkeit Raketen als probates Mittel betrachten, das Leid der Zivilbevölkerung im Gazastreifen zu lindern, aber natürlich sorgt die dramatische humanitäre Lage für Wut und Verzweiflung.

Wo aber bleibt dann der Druck, den Menschen in Not konkret zu helfen – durch die Öffnung der Grenze in der palästinensisch-ägyptischen Grenzstadt Rafah wenigstens für Frauen und Kinder. Das wäre der direkteste Weg, Leid zu lindern – abgesehen natürlich von einem Ende der is­rae­li­schen Militäraktion, das zum Beispiel durch eine bedingungslose Freilassung aller Geiseln beschleunigt werden könnte. Aber auf Rufe danach – ob aus der arabischen Welt oder auf den Demos von New York bis Berlin – wartet man vergeblich.

Ja, es stimmt: Äußerungen rechter israelischer Minister wie Itamar Ben-Gvir oder Bezalel ­Smotrich lassen befürchten, dass, sollten Frauen und Kinder den Gazastreifen erst einmal verlassen haben, Israel sich den Küstenstreifen unter den Nagel reißen und so seine völkerrechtswidrige Siedlungspolitik ausweiten würde. Das wäre fatal. Aber erstens gibt es für so ein Vorgehen keine Mehrheit in der israelischen Bevölkerung, und das Fortbestehen von Benjamin Netanjahus Regierung über den Krieg hinaus ist mehr als fraglich.

Zweitens ließe sich eine Rückkehr für die Flüchtenden durch internationale Garantien absichern. Nur deswegen nicht wenigstens zu versuchen, Ägypten zur Öffnung der Grenze zu bewegen – für Frauen und Kinder, die dringend Hilfe brauchen –, ist nicht nur paternalistisch, sondern wirft auch Fragen nach dem Zweck der Solidaritätsbekundungen auf. Geht es darum, das Leid der Menschen zu lindern, oder darum, palästinensisches Territorium zu verteidigen – notfalls bis zum letzten Kind?

Ägypten mag befürchten, die Hamas könne künftig vom eigenen Territorium aus agieren. Aber zu lange konnten Waffen für die Islamfaschisten über Ägypten in den Gazastreifen geschmuggelt werden. Ägypten ist Unterzeichner des 1951 verabschiedeten UN-Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und verpflichtet, sich an den Grundsatz der „Nichtzurückweisung“ zu halten. Zu Recht wird Israel gemahnt, sich an internationales Völkerrecht zu halten.

Warum aber nicht endlich auch Ägypten? Natürlich darf die internationale Gemeinschaft Ägypten bei dieser Aufgabe nicht alleinlassen. Aber sie muss endlich Druck machen.

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