AfD-Verbot und Höcke-Petition: Raus aus der Ohnmacht

Rechte drohen die Macht zu übernehmen und endlich wächst der antifaschistische Widerstand. Gerichte könnten ihn unterstützen. Pessimismus nicht.

Ein Schild mit der Aufschrift: AfD-Verbot jetzt.

Auf die Straße gegen rechts: Demonstration vor dem Roten Rathaus in Berlin am 17. Januar Foto: Kira Hofmann/dpa

Was für ein Hoffnungsschimmer in diesen düsteren Tagen: Auf deutschen Straßen bewegt sich etwas – und es ist nicht rechts! Rund zehn Jahre nachdem Antifas anfingen, sich gegen die AfD zu organisieren, erkennen jetzt auch ­immer mehr Durchschnittsdeutsche, dass die AfD eine Gefahr ist, gegen die etwas getan werden muss. Tausende strömen zu Demos, streiten über Strategien und signieren Petitionen. Das ist einfach nur gut.

Doch statt sich zu freuen, lamentieren andere: Es sei nicht rechtmäßig, eine Partei wie die AfD zu verbieten oder dem Faschisten Björn Höcke ein paar Grundrechte zu entziehen, wie es die Petition fordert. Haben diese Leute mehr Angst davor, Neonazis zu diskriminieren, als von Neonazis beherrscht zu werden? Oder gehen sie davon aus, selbst zu den Letzten zu gehören, die deportiert würden? Politische Grundrechte sollten niemandem leichtfertig entzogen werden, doch sie könnten vielen bald gar keinen Schutz mehr vor dem Staat bieten, wenn wir sie ausgerechnet denen lassen, die sie abschaffen wollen. Diese legalistische Haltung ist jedenfalls typisch deutsch, völlig ahistorisch und brandgefährlich. Zudem ist sie ein Luxus, den viele sich längst nicht mehr leisten können.

Menschen, die von rechtem Terror wie in Hanau und Halle gemeint und nur noch nicht getroffen und ermordet worden sind, denken zurzeit über ganz andere, praktische Fragen nach: nämlich wie sie sich selbst verteidigen oder wo sie noch hin flüchten sollen. Für sie und viele andere ist es nicht fünf vor, sondern fünf nach zwölf. Deshalb müssen jetzt alle Hebel in Gang gesetzt werden, die zur Verfügung stehen.

Ob ein Verbot strategisch klug ist und ob es gelänge, darüber lässt sich streiten. Ob derartige Hebel umgelegt werden, entscheiden im Rechtsstaat – noch haben wir ja einen – letztlich Gerichte. Der Punkt ist: Unter Verweis aufs Gesetz ohnmächtig zu erstarren, das hilft niemandem. Statt das gescheiterte NPD-Verbot ließe sich genauso gut das gelungene Verbot der Sozialistischen Reichspartei von 1952 anführen, die in der Tradition der NSDAP stand. Diese ist 1933 legal an die Macht gekommen.

Das Grundgesetz ist kein Selbstzweck

Genau deshalb gibt es heute doch die Möglichkeit, Parteien zu verbieten und Grundrechte Einzelner einzuschränken. Wieso sollten sie nicht mal stärker gegen rechts genutzt werden? Das Grundgesetz wurde schließlich nicht als Selbstzweck eingeführt, sondern nach der größten politischen Katastrophe der Menschheit. Mit dem Ziel, dass Auschwitz nie wieder sei.

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Lotte Laloire ist Mitte 30 und immer noch links. Sie arbeitet seit 10 Jahren als Journalistin - für Medien wie taz, nd (Neues Deutschland), Tagesspiegel, Frankfurter Rundschau, Jungle World, Brigitte oder Deutschlandfunk.

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Hier erfährst du mehr

Rechtsextreme Terroranschläge haben Tradition in Deutschland.

■ Beim Oktoberfest-Attentat im Jahr 1980 starben 13 Menschen in München.

■ Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) um Beate Zschäpe verübte bis 2011 zehn Morde und drei Anschläge.

■ Als Rechtsterroristen verurteilt wurde zuletzt die sächsische „Gruppe Freital“, ebenso die „Oldschool Society“ und die Gruppe „Revolution Chemnitz“.

■ Gegen den Bundeswehrsoldaten Franco A. wird wegen Rechtsterrorverdachts ermittelt.

■ Ein Attentäter erschoss in München im Jahr 2016 auch aus rassistischen Gründen neun Menschen.

■ Der CDU-Politiker Walter Lübcke wurde 2019 getötet. Der Rechtsextremist Stephan Ernst gilt als dringend tatverdächtig.

■ In die Synagoge in Halle versuchte Stephan B. am 9. Oktober 2019 zu stürmen und ermordete zwei Menschen.

■ In Hanau erschoss ein Mann am 19. Februar 2020 in Shisha-Bars neun Menschen und dann seine Mutter und sich selbst. Er hinterließ rassistische Pamphlete.

Am 19. Februar 2020 erschoss der Rechtsextremist Tobias R. an drei verschiedenen Tatorten in der Hanauer Innenstadt neun Menschen:

Kaloyan Velkov, ermordet mit 33 Jahren.

Fatih Saraçoğlu, ermordet mit 34 Jahren.

Sedat Gürbüz, ermordet mit 30 Jahren.

Vili Viorel Păun, ermordet mit 22 Jahren.

Gökhan Gültekin, ermordet mit 37 Jahren.

Mercedes Kierpacz, ermordet mit 35 Jahren.

Ferhat Unvar, ermordet mit 22 Jahren.

Hamza Kurtović, ermordet mit 22 Jahren.

Said Nesar Hashemi, ermordet mit 21 Jahren.

Später ermordete der Attentäter seine Mutter Gabriele R., 72 Jahre alt.

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