CDU-Spitze tagt in Heidelberg: Im Zeitgeist der „Pinte“

Die CDU-Spitze berät über das neue Grundsatzprogramm und die aktuellen Herausforderungen. Es soll um „CDU pur“ gehen, aber die AfD ist meistens mit dabei.

Carsten Linnemann und Friedrich Merz sitzen an einem Tisch - vor sich ganz viele Wasser- und Colaflaschen, im Hintergrund eine himmelblaue Wand

„Wir sind auch wieder eine konservative Partei“: CDU-Chef Friedrich Merz (r.) und sein Adjutant Carsten Linnemann Foto: Helmut Fricke/dpa

HEIDELBERG taz | Das Marriott-Hotel in Heidelberg liegt recht schön am Neckarufer. Das Gebäude und seine Innenausstattung mit ihren dunkelroten, gemusterten Teppichen und einer Bar voller Holz, über deren Eingang „Pinte“ steht, verströmen allerdings den Geist des letzten Jahrtausends. Insofern passt es durchaus, dass sich der Bundesvorstand der CDU hier zu seiner Jahresauftaktklausur trifft, auch wenn manche Christ­de­mo­kra­t*in­nen das Ambiente spöttisch kommentieren.

Kern der Klausur ist ein Beschluss zum neuen Grundsatzprogramm, das mit seinen Bekenntnissen zu Leitkultur und Atomkraft, seiner Haltung zum Islam und einer Verlagerung der Asylverfahren in Drittstaaten einen ganz ähnlichen Zeitgeist wie der Veranstaltungsort verströmt. Die Partei will den Kurs der Merkel-CDU korrigieren, ohne zu offensichtlich mit ihr zu brechen. „Wir sind auch wieder eine konservative Partei und niemand hat mehr ein Problem damit, das zu sagen“, erklärte Parteichef Friedrich Merz sichtlich erfreut in seiner Abschlusspressekonferenz.

Atomkraft und Islam sind auch zwei der Punkte, die nach Auskunft von Teil­neh­me­r*in­nen in der Sitzung engagiert diskutiert wurden. Merz räumt das ein. Insbesondere an der Formulierung ‚Muslime, die unsere Werte teilen, gehören zu Deutschland‘ habe es Kritik gegeben. Manche Christ­de­mo­kra­t*in­nen stört der Generalverdacht, der mitschwingt. Geändert wurde die Formulierung nicht, wie es auch sonst keine grundsätzlichen Veränderungen an dem Entwurf gegeben hat, bevor der Bundesvorstand ihn absegnete.

Das liegt auch daran, dass die Parteispitze breit an der Erstellung des Programmentwurfs beteiligt war – was als Erfolg für Merz und seinen Generalsekretär Carsten Linnemann, der die Programmkommission geleitet hat,verbucht werden kann. „Es wird eine Debatte auf dem Parteitag geben“, sagte Merz. Es könne möglicherweise eine bessere Formulierung zu der Islam-Passage geben, die inhaltliche Grundausrichtung aber müsse bleiben. Auf dem Bundesparteitag im Mai in Berlin soll das neue Grundsatzprogramm verabschiedet werden. Dort wird mit zahlreichen Änderungsanträgen gerechnet.

Nach dem Willen von Merz und Linnemann sollen – neben dieser Geschlossenheit – von der Klausur zwei Signale ausgehen: dass die Ampel Schuld an der derzeitigen Lage im Land ist und die CDU das Gegenmodell zur Ampel. Die Legitimation der politischen Parteien, Probleme zu lösen, schwinde, sagte Linnemann. „Die Ampel, das muss man ganz klar sagen, ist Hauptverursacher.“ Die CDU wolle mit dem Beschluss für das Grundsatzprogramm, das vierte in der Geschichte der Partei, „Halt und Orientierung geben“. Die CDU, meint Linnemann, müsse sich auf sich selbst konzentrieren. „CDU pur“ nennt er das.

„Das werden wir nicht dulden“

Allerdings ist an diesem Wochenende stets eine zweite Partei mit dabei: die AfD. Das liegt an den Wahlen, die in diesem Jahr anstehen: Bei den Kommunal- und Europawahlen im Juni sowie den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg im September droht ein Triumph der extrem rechten Partei. Es liegt aber auch an dem gerade bekannt gewordenen Treffen in der Nähe von Potsdam, bei dem nach Correctiv-Recherchen Politiker der AfD mit Unternehmern und anderen Rechtsextremisten einen Plan für die massenhafte Deportation von Menschen mit Migrationshintergrund diskutiert haben.

Mitglieder von CDU und Werteunion haben daran teilgenommen. „Das werden wir nicht dulden“, sagte Merz. Gegen ein CDU-Mitglied aus NRW hat nach Angaben von Paul Ziemiak, Generalsekretär der Landes-CDU, der zuständige Kreisverband Schritte für den Parteiausschluss eingeleitet.

Drei Stunden dauerte die generelle Aussprache zu Beginn der Klausur, über 40 Wortmeldungen hat es dabei gegeben. Häufig, so ist zu hören, ging es um den Zustand des Landes, den Umgang mit der AfD, die Sorge um die Demokratie. Auch Merz hat dies in seinem Auftaktstatement thematisiert. Einig war man sich laut Teil­neh­me­r*in­nen in der klaren Abgrenzungen zur AfD, nicht aber beim Umgang mit der extrem rechten Partei. Die einen sind der Ansicht, dass die CDU die AfD offensiv inhaltlich herausfordern muss. Die anderen befürchten, dass dies die AfD weiter stärken könnte.

Merz will eine „sehr klare, sehr harte Auseinandersetzung“ mit der AfD, besonders über Europa-, Außen- und Wirtschaftspolitik, wie er bei der Pressekonferenz auf Nachfrage ausführte. Viele Handwerker und Mittelständler würden mit der AfD sympathisieren, ihnen müsse man klar machen, dass diese Partei das Land wirtschaftlich nicht voranbringe, sondern ihm schade. Auch forderte er den gesamten Bundesvorstand auf, im Wahlkampf in den drei ostdeutschen Bundesländern aktiv zu werden. „Das ist eine Aufgabe für die gesamte Bundespartei“, sagte Merz. „Ich möchte uns nicht den Vorwurf machen nach diesen Wahlen, dass wir vor diesen Wahlen möglicherweise zu wenig getan haben.“

Zum Team Attacke gehört wohl auch Thüringens CDU-Chef Mario Voigt, in dessen Land die Lage besonders tricky ist. Auf X, früher Twitter, lieferte er sich am Wochenende mit AfD-Rechtsextremist Björn Höcke einen Schlagabtausch, der mit einer Zusage für ein öffentliches Streitgespräch endete. Ein Parteiverbotsverfahren wurde nur am Rande thematisiert. „Ich halte davon sehr wenig“, sagte Merz erneut. Die AfD müsse man politisch bekämpfen.

Einen Schnitt will er bei der Werteunion vollziehen. „Der Zirkus mit der Werteunion“ müsse ein Ende haben, soll Merz in der Sitzung gesagt haben. Die Werteunion ist keine Parteiorganisation, sondern ein unabhängiger Verein, deren Mitglieder aber zum großen Teil der CDU und der CSU angehören. Wenn sich die Werteunion am kommenden Wochenende, wie es ihr Vorsitzender, Ex-Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen, plant, als eigene Partei konstituiert, erledigt sich das Problem für die CDU auf organisatorischer Ebene quasi von selbst. Wer Mitglied einer anderen Partei wird, kann nicht gleichzeitig in der CDU sein. Macht die Werteunion das nicht, will Merz auf dem nächsten Bundesparteitag einen Unvereinbarkeitsbeschluss herbeiführen.

Heidelberger Erklärung

Damit von dem Treffen eine klare Botschaft ausgeht, verabschiedete die CDU-Spitze nicht nur den minimal geänderten Entwurf des Grundsatzprogramms, sondern auch eine „Heidelberger Erklärung“. Auch darin trägt alleine Schuld an der derzeitigen Misere: die Bundesregierung. Die Ampel sei „kraftlos, kopflos, planlos und zerstritten“ heißt es. Und: „Die Demokratie ist stabil. Wir brauchen nur eine bessere Regierung.“ Inhaltlich kommt dann vieles, was auch im Grundsatzprogramm-Entwurf steht. Bei einer Regierungsübernahme will die CDU Bürgergeld und Heizungsgesetz abschaffen, auch die Kürzung der Agrardiesel-Subventionen sollen zurückgenommen werden.

Menschen, die schon lange gearbeitet haben und unverschuldet arbeitslos werden, sondern länger Arbeitslosengeld bekommen. „Auf die Option Kernkraft können wir zur zeit nicht verzichten“, heißt es zudem etwas unbestimmt. Kontrollen an den Binnengrenzen sollen bleiben, bis Frontex zu einer echten Grenzschutzpolizei ausgebaut ist, Asylverfahren künftig in Drittsaaten durchgeführt werden, wo die Flüchtlinge jenseits der Aufnahme eines bestimmten Kontingents auch nach einer Anerkennung bleiben sollen.

Aber ist es nicht auch gefährlich, die Ampel permanent massiv zu attackieren, weil dies nicht bei der CDU, sondern bei der AfD einzahlt? „Für das, was in diesem Land passiert, ist zunächst einmal die Bundesregierung zuständig“, antwortete Merz, betonte aber, man sei weiter bereit, mit der Ampel zusammenzuarbeiten. In der Sitzung hatte Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst angeregt, der Ampel ein neues Gesprächsangebot zu unterbreiten.

„Das ist keine leichte Zeit, in der die Ampel regiert“, sagte der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther und setzte damit einen etwas anderen Ton. „Wir sollten den Leuten nicht vormachen, wenn die Union in der Verantwortung ist, dass alles in Deutschland gut geregelt ist.“ Manches sei zu lange liegengeblieben, deshalb gebe es viel zu tun. Das kann man durchaus auch als Selbstkritik verstehen. Schließlich hat die CDU vor der Ampel 16 Jahre lang regiert.

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