Geplante Gasbohrung im Wattenmeer: Nicht in Stein gemeißelt

Vor Borkum befinden sich mehr zu schützende Steinriffe als bislang bekannt. Das ergibt eine Greenpeace-Untersuchung zur geplanten Gasbohrung.

Orangefarbene Seenelke auf einem Stein

So hübsch ist es in der Nordsee: Schützenswertes Steinriff in dem für Gasbohrungen vorgesehenen Gebiet vor Borkum Foto: U­li Kunz/Submaris/Greenpeace

HAMBURG taz | Nun sprechen also viele weitere steinige Argumente gegen die geplanten Gasbohrungen im Wattenmeer vor Borkum: So sieht es jedenfalls die Umweltorganisation Greenpeace. Sie veröffentlichte am Donnerstag ein von ihr in Auftrag gegebenes Gutachten, nach dem sich im Gebiet, in dem das Energieunternehmen One-Dyas nach Gas bohren will, mehr streng geschützte Steinriffe befinden, als bislang bekannt war. Das habe eine Sonar-Untersuchung des Meeresgrundes ergeben. „Unter diesen Umständen darf die niedersächsische Landesregierung das Projekt auf keinen Fall bewilligen“, sagt Franziska Saalmann, Meeresbiologin bei Greenpeace.

Knapp drei Wochen lang war ein Schiff mit seinem Sonargerät vor Borkum unterwegs, um Steine mit einem Durchmesser von mindestens 30 Zentimetern zu orten: Kommen diese auf kleiner Fläche in hoher Anzahl und ohne großen Abstand vor, gelten sie als schützenswerte Riffe. „Steinriffe sind nach der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH) ein europarechtlich geschützter Lebensraumtyp“, heißt es auch vom niedersächsischen Umweltministerium.

Nachdem die Umweltorganisation schon im vergangenen Jahr mehrere dieser zuvor unbekannten Riffe entdeckt hatte, wurde sie nun erneut an mehreren anderen Stellen fündig. „Auf diesen Steinen im Schlick wachsen korallenähnliche Organismen, die Lebensraum vieler bedrohter Tierarten sind“, sagt Manfred Santen, der ebenfalls für Greenpeace an der Erforschung mitgearbeitet hat. Würmer, Hummer oder Garnelen lebten hier etwa.

Förderbetrieb zerstört Riffe

Nur sehen Um­welt­schüt­ze­r:in­nen diese Lebensräume akut gefährdet: Das niederländische Unternehmen One-Dyas will auf deutscher wie auf niederländischer Seite des Wattenmeers nach Gas bohren. Das Gebiet liegt mittig zwischen europäischen Meeresschutzgebieten und dem Nationalpark Wattenmeer. „Die Steinriffe sind durch das Gasprojekt in akuter Gefahr“, sagt Saalmann. Schon die Bohr- und Baggerarbeiten vor dem Förderbetrieb würden Riffe zerstören, danach würden durch die Gasförderung Chemikalien am Meeresgrund freigesetzt, die eine Gefahr für die Umwelt bedeuteten.

Manfred Santen, Greenpeace

„Auf diesen Steinen im Schlick wachsen korallenähnliche Organismen, die Lebensraum vieler bedrohter Tierarten sind“

Die Ergebnisse der neueren Untersuchungen seien aus Greenpeace-Sicht auch deshalb entscheidend, weil bislang Gegenteiliges behauptet wurde: One-Dyas hatte zuvor im Bereich der geplanten Arbeiten eigene Untersuchungen durchgeführt. „Dabei sind angeblich keine Steinriffe gefunden worden“, sagt Saalmann. Das neue Gutachten widerlege diese Angaben und gelte sowohl für die nahe dem geplanten Förderturm gelegenen Bereiche als auch entlang der Trassenführung für die Stromversorgung.

Greenpeace sieht das Vorhaben kritisch

Die Ergebnisse sind besonders für die ausstehende Genehmigung auf deutscher Seite relevant: Hier muss das Niedersächsische Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie dem Vorhaben am Ende zustimmen – das steht bislang noch aus. Ergebe sich im Planfeststellungsverfahren, dass die Sicherheit für den Umwelt- und Naturschutz gewährleistet ist, werde es eine Genehmigung geben, hatte Landeswirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) erklärt. Das Land habe aber in der Vergangenheit die Prüfung der Meeresumwelt in der Nähe der Bohrstelle stark vernachlässigt, hatte Greenpeace schon im vergangenen Jahr kritisiert. Auch die mitregierenden Grünen stehen dem Vorhaben kritisch gegenüber.

Die Umweltorganisation veröffentlichte ihre Ergebnisse just an jenem Tag, an dem in Den Haag vor Gericht erneut über die Genehmigung auf niederländischer Seite verhandelt wird: Dort klagen die Deutsche Umwelthilfe, die Gemeinde Borkum und weitere Umweltgruppen gegen die bereits erteilte Bohrerlaubnis. Beim ersten Verhandlungstermin im vergangenen September hatten die Kläger schon einen ersten Erfolg: Das Gericht hatte dem Unternehmen untersagt, mit den Vorarbeiten anzufangen.

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