Greta Thunberg und der Nahostkonflikt: Die Schubladen klemmen

Sind die Guten plötzlich die Bösen und die Bösen die Guten? Vielleicht sind unsere Kategorien einfach nicht mehr zeitgemäß.

Greta Thunberg auf der Bühne in Amsterdam

Ist der Kampf für eine gerechtere Welt wirklich antisemitisch? Foto: Peter Dejong/ap

Der Nahostkonflikt wirbelt gerade alte Gewissheiten gehörig durcheinander. Da stellt sich Greta Thunberg in Amsterdam auf die Bühne einer gigantischen Klimademo und ruft, es gebe keine Klimagerechtigkeit in einem besetzten Land – trägt dazu nicht nur ein Palästinensertuch, sondern umgibt sich auch noch mit zweifelhaften Mitstreiter:innen.

Nahezu zeitgleich reiht sich Marine Le Pen mit ihrem rechtsextremen Rassemblement National in Paris bei einer Demo gegen Antisemitismus ein.

Wird Thunberg damit endgültig zur „Persona non Greta“, die die von ihr maßgeblich angestoßene Klimabewegung in die Krise stürzt? Und gehört Marine Le Pen jetzt plötzlich zu den Guten?

Eins ist sicher: Die alten Schubladen klemmen, sie passen nicht mehr richtig. Aber hilft es, dann alle möglichst schnell in neue zu stecken?

Im Gegen­teil. Das zeigt ja schon der Blick nach Paris. Rechtsextreme werden nicht zu Gutmenschen, bloß weil sie sich als Antiantisemiten gerieren, um so ihren antimuslimischen Rassismus zu begründen. Das ist mehr als durchschaubar.

Puh. Schwierig

Und Thunberg? Puh. Schwierig. Ihre Parole „No climate justice on occupied land“ ist heftige Israel-Kritik, die man nicht teilen muss. Aber antisemitisch?

Nein. Sie ist vielmehr ihre Konsequenz aus einem anderen Slogan, den Fridays for Future weltweit vor sich herträgt: „System change, not climate change“. Systemwechsel statt Klimawandel. Was ja nichts anderes heißt als: Für den Kampf für eine gerechtere Welt und gegen den Klimawandel müssen Machtverhältnisse neu geordnet werden. Weltweit. Also auch in Israel. Auch in Gaza.

Dennoch ist Thunbergs einseitige Positionierung fatal. Denn sie führt in der aktuellen Lage überhaupt nicht weiter. Das Problem ist ja: ­Klimawandel ist nun wahrlich nicht der ent­scheidende Punkt im Nahostkonflikt.

Wer sonst, außer diese junge, global denkende Bewegung, könnte der Motor für eine Antikriegsbewegung sein?

Auf die ohnehin kaum zu beantwortende Frage, wie angemessen das militärische Vorgehen Israels in Gaza ist, bietet Klimapolitik keine Antwort. Und um zu wissen, dass das antisemitische Pogrom der ­Hamas am 7. Oktober in Israel zweifelsohne zu verurteilen ist, braucht es auch kein Klima­engagement.

Thunberg treibt mit ihrer Positionierung einen Keil in die Klimabewegung, statt ihr eigentliches Potenzial zu nutzen. Denn wer sonst außer genau diese junge, global denkende Bewegung könnte der Motor für eine von allen Seiten akzeptierte Antikriegsbewegung sein, weil sie nicht vergisst, dass die Menschheit ein alles überschattendes Problem hat: den sich weltweit beschleunigenden Anstieg der Temperaturen.

Keine Klimagerechtigkeit ohne Frieden. Aber dabei helfen keine einseitigen Gewissheiten.

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Leiter des Regie-Ressorts, das die zentrale Planung der taz-Themen für Online und Print koordiniert. Seit 1995 bei der taz als Autor, CvD und ab 2005 Leiter der Berlin-Redaktion. 2012 bis 2019 Leiter der taz.eins-Redaktion, die die ersten fünf Seiten der gedruckten taz produziert. Hat in Bochum, Berlin und Barcelona Wirtschaft, Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation und ein wenig Kunst studiert. Mehr unter gereonasmuth.de. Twitter: @gereonas Mastodon: @gereonas@social.anoxinon.de Foto: Anke Phoebe Peters

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