Joe Biden äußert sich zu Assange: Die falschen Gründe

Der US-Präsident sendet erstmals milde Töne in der Sache Assange. Eine Rolle spielen dürften dabei das Verhältnis zu Australien und der nahende Wahlkampf.

Demonstrierende versammeln sich um Julian Assange am fünften Jahrestag seiner Inhaftierung im Belmarsh-Gefängnis zu unterstützen.

Julian Assange wird seit fünf Jahren im Hochsicherheitsgefängnis in London festgehalten Foto: Vuk Valcic/imago

Noch ist nichts gewonnen: Noch sitzt der australische Staatsbürger und Wikileaks-Gründer Julian Assange im britischen Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh, wie seit fünf Jahren schon, und wehrt sich juristisch gegen seine Auslieferung in die USA, wo ihm wegen „Spionage“ der Prozess gemacht werden soll. Aber zum ersten Mal überhaupt hat am Mittwoch US-Präsident Joe Biden öffentlich gesagt, die USA würden „prüfen“ („consider“), die Anklage gegen Assange fallenzulassen.

Vorausgegangen war schon im Februar eine Resolution des australischen Parlaments. Mit 86 zu 42 Stimmen forderten die Abgeordneten von den USA und Großbritannien, die Verfolgung Assanges aufzugeben und ihm die Rückkehr nach Hause zu ermöglichen. Jetzt hat sich auch der australische Premier Anthony Albanese diese Position zu eigen gemacht. Australien ist mit Großbritannien und den USA im Militärbündnis Aukas alliiert – und das wird gerade wichtiger, weil die USA überlegen, Japan noch mit dazuzuholen, um stärker gegen China auftreten zu können.

Ob das nun der Grund für Bidens zumindest angedeutetes Umdenken ist, bleibt Spekulation. Sicher ist, dass Biden auch innenpolitisch im US-Wahljahr mit einer weiteren Verfolgung Assanges nichts zu gewinnen, aber viel zu verlieren hat. Der progressive Flügel seiner Partei, ohnehin verärgert über Bidens fortgesetzte militärische Unterstützung Israels im Gaza­krieg, hätte weitere Ablehnungsgründe gegen ihn, würde Assange gesundheitlich angeschlagen in Handschellen in den USA eintreffen. Nichts braucht der Präsident weniger in seinem Versuch, am 5. November erneut gegen Donald Trump die Präsidentschaftswahl zu gewinnen.

Beide Gründe, die innen- wie die außenpolitischen, wären zwar die falschen: Assange als Veröffentlicher von Material, das US-Kriegsverbrechen dokumentierte, gehört einfach überhaupt nicht angeklagt, nimmt man Pressefreiheit als Wert ernst. Aber in diesem fortgeschrittenen Stadium darf es kaum eine Rolle spielen, warum Assange endlich aus der Zelle kommt: Er muss vor allem freikommen.

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Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org

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